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Ein Raddampfer fährt auf einem Fluss. Im Hintergrund rauchen die Schornsteine der Glashütte Gernheim.

„Hier bin ich gern heim“

Geschichte der Glashütte Gernheim

„Hier bin ich gern heim“, soll der Bremer Kaufmann Fritz Schrader ausgerufen haben, als er im Sommer 1811 nahe der Gemeinde Ovenstädt von Bord des Weserschiffes ging auf der Suche nach einem geeigneten Ort für eine Glashütte.

Er hatte den richtigen Platz gefunden. Ein Jahr später entstanden die ersten Gebäude des neuen Fabrikortes, der später den Namen „Gernheim“ erhielt und bald zu den bedeutendsten Glashütten in Nordwestdeutschland zählte. Am 1. Oktober 1812 wurde in Gernheim die erste Flasche geblasen.

1812 gründeten die zwei Bremer Kaufleute Johann Friedrich Christoph Schrader und Cornelius Lampe die Glashütte Gernheim nördlich von Petershagen. Am 1. Oktober desselben Jahres wurde die erste Flasche im neuerrichteten Hüttengebäude geblasen. In den folgenden Jahren entstand in Gernheim, direkt an der Weser gelegen, ein Fabrikdorf mit Hüttengebäuden, Wohnhäusern für die Arbeiter, dem Wohnhaus der Fabrikantenfamilie, der Korbflechterei mit Schulraum und zahlreichen weiteren Wirtschaftsgebäuden. Nach einer Aufbauphase und der Errichtung des markanten, noch heute erhaltenen kegelförmigen Glasturms 1826 galt die Hütte in Preußen lange Jahre als vorbildliche Manufaktur. Glasmacher aus dem In- und Ausland arbeiteten in Gernheim.

Lange Schichten und Kinderarbeit

Zu ihren Glanzzeiten beschäftigte die Hütte 280 Glasbläser, Schmelzer und Schürer, Glasschleifer, Vergolder, Maler, Korbflechter und Kistenschreiner; sie war damit wichtigster Arbeitgeber der Region. Der relative Wohlstand der Gernheimer Familien hatte seine Schattenseiten: Tag- und Nachtschichten von 12 Stunden waren üblich, die starke Belastung durch Hitze, Staub und Rauch machte die vielen Arbeiter krank, und Kinderarbeit war an der Tagesordnung. Die Karriere als Glasmacher begann für Jungen mit zehn Jahren.

Neben weißem und farbigem Hohlglas produzierte man in Gernheim auch Tafelglas. Große Teile der Gernheimer Produktion exportierte Schrader über Bremen per Schiff bis nach Südamerika.

Nach dem Tod Fritz Schraders im Jahr 1848 übernahm zunächst sein Neffe Rudolf den Betrieb. Nach dem Konkurs und dem Tod Rudolfs führte sein Bruder Wilhelm ab 1850 die Glashütte zu einer zweiten Hochphase. Wilhelm Schrader gelang es, die Hütte über schwierige Jahrzehnte, von 1850 bis 1877, fortzuführen, als Gründerkrise und fehlender Eisenbahnanschluss zu ihrer Stilllegung führten.

Abgesehen von einer kurzen Wiederinbetriebnahme des Ofens im Tafelturm 1892-93 wurde in Gernheim kein Glas mehr gemacht.

Erst mit der Gründung des LWL-Industriemuseums 1979 gelangte der Tafelturm zu neuer Bedeutung: Das Industriedenkmal ging zusammen mit weiteren Hüttengebäuden Gernheims in die Trägerschaft des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe und wurde Teil des LWL-Industriemuseums.